Direkt zum Inhalt

Panzer Sabine

Vorname
Sabine
Nachname
Panzer
erfasst als
Komponist:in
Interpret:in
Genre
Neue Musik
Instrument(e)
Klavier
Violine
Oboe
Gitarre
Blockflöte
Geburtsjahr
1960
Geburtsort
Judenburg
Geburtsland
Österreich
Sabine Panzer

Sabine Panzer © Sabine Panzer 

Panzer studierte Musiktheorie und Komposition in Wien (mit Schwerpunkt elektroakustische/elektronische Komposition) und Salzburg; parallell zur universitären Ausbildung erfolgte ein privates Klavierstudium bei Markus Hinterhäuser. Unter den vielfältigen internationalen Begegnungen erwies sich Luigi NONO als die, bis heute, prägende Persönlichkeit. Sein frühzeitiger Tod führte zum radikalen Rückzug der Komponistin.

In den "Jahren der Abwesenheit" und des Reisens entsteht u. a. TOTENKLAGE – zum Andenken an Luigi NONO. Panzer ging nach Spanien zu Eduardo Chillida und zum Studium seiner Raum/Zeit-Skulpturen.

Die Komponistin prägt für ihre Musik den Begriff "© CentroAssente-Abwesende Mitte" – der akustisch nie in Erscheinung tretende Bezugspunkt. Panzer arbeitet mit Raum, non-time-areas & non-space-areas, Fermatenarealen und klanginhärenter Bewegung.
Die Komponistin lebt in Berlin und Triest.

Stilbeschreibung

"Musikhistorische Verortung: Zweite Wiener Schule (Arnold Schoenberg/Anton Webern), Luigi NONO. Anders als die serielle Anlage einiger Werke des Venezianers, zielen zentrale stilistische Paradigmen im Werk Sabine E. Panzers auf permanent sich modifizierende Modalstrukturen. Die Funktionalität und Charakteristik von Intervallbeziehungen bilden dabei die Grundbausteine der musikalischen Sprache. Als harmonikale Basis der von Panzer anerkannten Werkliste (vor 1989 entstandene Arbeiten wurde von der Komponistin vernichtet) entwickelt die Komponistin einen auf intervallischen Spannungsproportionen aufbauenden 5-Ton-Modus. Abwesenheit (Assente) und die Gesetzmäßigkeit von Bewegung per se werden für die kompositorische Arbeit immer wichtiger. Der wandelbare 5-Ton-Modus generiert über präzise Transpositionsprozesse nach und nach jenen Ort, der Abwesenheit als strukturimmanentes Moment in Erscheinung treten lässt. Vereinfacht gesagt: der im Rahmen eines werkbezogenen Systems relevante Faktor ASSENTE entsteht gerade durch die Aussparung, durch das akustisch nicht in Erscheinung Tretens  des absoluten Bezugs- oder Zentraltones (in extremum wird als ein Paradox der vollständige Modus sozusagen umdefiniert und in die Abwesenheit katapultiert). Das Konzept überträgt Panzer konsequent auf alle anderen musikalischen Prozesse und Parameter, z.B.: Rhythmus:  In der einer Komposition angemessenen Variationsbreite untermauern mehrere ausdefinierte und gleichzeitig übereinander geschachtelte Rhythmuszellen, die sich ununterbrochen durch die ganze Komposition ziehen, quasi als permanent anwesende gleichzeitig nur rudimentär auch in ihrer akustischen Gestalt in Erscheinung tretende Monaden. Diese technisch-musikalische Konkretisierung der Idee des "CentroAssente" (AbwesendenZentrums) erzeugt kohärent ein bewusstes Verbergen der musikalischen Idee. Das, was dem aufmerksamen Ohr schließlich erklingt ist nichts als die Erinnerung und Sehnsucht an jene ewig abwesende Stille. Auf den Spuren der Klangentfaltung - Intensiv beschäftigt sich die Komponistin auch mit klangintrinsischen Aspekten: Die klanginhärente Bewegung und die Beschaffenheit des Einzelklangs in vertikaler (Mikrotonalität) und horizontaler Klangstruktur - was, wie und wo genau ist jene Schwelle, die Geräusch zur rezipierbaren Tonhöhe hin verdichtet. Das erfordert vom Musiker sowie  dem Auditorium die Bereitschaft zum Hineinhören/Hinhören/Aufhorchen. Die Entfaltung vom Klang im Raum, vom Einzelton erfordert Zeit, viel Zeit, unberechenbare Zeit oder aber ein Anhalten von Zeit – ein Stillstehen im Klang und in der räumlichen Klangbewegung. Zur Bewältigung dieser Zeitstrukturen entwickelt Panzer Fermatenareale. Fermaten erzeugen einen räumlichen und zeitlichen Stillstand (non-space-areas / non-time-areas)  und bewirken ein Aufbrechen und Dekonstruieren von festgelegten Abläufen. Solche Fermatenareale dienen in den Kompositionen Panzers der Bewältigung komplexer Zeitstrukturen."
N.N.

"Historisch:
kommend von Webern über Nono.
Ausdruck:
Individuell, im Gegensatz zur Aleatorik oder seriellen Musik. Sehr espressivo, eine dunkle, dionysische, teils aggressive neue Romantik.
Theorie:
Meine Musik ist bestimmt von intervallischem und linearen Denken. Durch die vorrangige Verwendung der Quart-Tritonus-Quint-Beziehungen, durch die Aussparung der Terz-Sext-Akkorde, entsteht eine neue, quasi offenharmonische Ausdrucksweise; d. h. zum einen verzichte ich in den Kompositionen niemals auf die Spannungsmittel der Harmonik, auf eine veränderte Form der Leittönigkeit, eine diffuse Grundtönigkeit, umgekehrt wird durch die Aussparung der Terz niemals eine fixierbare harmonische Situation im Rahmen der klassischen Harmonielehre erreicht. So entsteht eine neuartige Spannungsdichte, die sich musiktheoretisch ausschließlich auf die Errungenschaften dieses Jahrhunderts beziehen läßt.
Form:
Die rhythmische Struktur wie auch die Intervallfolge meiner Kompositionen sind streng konzeptionell organisiert. Auch hier wird das serielle Element variiert gehandhabt. Wie im harmonischen werden auch im Gesamtablauf Freiräume, Offenräume zur individuell-expressiven Gestaltung des Stückes geschaffen. In vielen meiner Kompositionen wird das Ensemble, das Orchester, als ein Instrument verstanden. Diese Auffassung entspricht einer neuen Polyphonie, die Gleichberechtigung der Stimmen ist gegeben, jede Stimme ist in gleichem Maßen einem Ganzen untergeordnet. Diese Durchformung der Komposition führt folgerichtig zur Selbstauflösung der Polyphonie als "Strukturidee". Nur durch zahlreiche Proben, das Verständnis der Musiker, das perfekte Zusammenspiel ist eine vom Zuhörer nachvollziehbare Aufführung garantiert, entsteht ein komplexes, auskomponiertes rhythmisches, motivisches Muster mit einer reichhaltigen Klangfarbenpalette."
Sabine Panzer (1995), zitiert nach: Günther, Bernhard (1997) (Hg.): Lexikon zeitgenössischer Musik aus Österreich: Komponisten und Komponistinnen des 20. Jahrhunderts. Wien: music information center austria, S. 814–815.

Auszeichnungen

1999 Bundeskanzleramt, Sektion für Kunst und Kultur: Staatsstipendium für Komposition

Ausbildung

Musikschule der Stadt Salzburg: Violine, Gitarre, Musiktheorie

1978–1983 Salzburg: Privatunterricht (Klavier, Musiktheorie)
1980–1981 Salzburg: Vorbereitung auf das Musiktheorie-, Kompositionsstudium
1981–1987 Salzburg: Privatunterricht Klavier (Markus Hinterhäuser)
1981–1982 Musikhochschule Mozarteum Salzburg: ao. Hörerin
1983–1987 Musikhochschule Mozarteum Salzburg: Komposition, Musiktheorie (Boguslaw Julien Schaeffer) - Diplom
1999 San Sebastian (Spanien): Studium von Raum/Zeit-Skulpturen (Eduardo Chillida)

Hochschule für Musik und darstellende Kunst Wien: Elektronik, Elektroakustik (Dieter Kaufmann)
Teilnehmerin an zahlreichen internationalen Meisterkursen/Workshop, u. a. bei: John Cage, Alfred Schnittke, Karlheinz Stockhausen, Luigi Nono

Tätigkeiten

1989–1990 künstlerische Beeinflussung/Kontakt mit Luigi Nono bis zu dessen Tod
2001–heute Schaffung/Copyright des Terminus centroAssente – abwesende Mitte (= der akustisch nie in Erscheinung tretende Bezugspunkt)

zahlreiche internationale Aufführungen/Vorträge u. a. in: Südkorea (Seoul), Frankreich (Paris), Italien (Rom, Taranto, Sardegna), Deutschland (Berlin, Köln, Ingolstadt), Schweiz (Lausanne, Luzern), Polen (Krakau), USA (Alexandria/Virginia)

Aufträge (Auswahl)

2007 El Cimarrón Ensemble (Deutschland): Mio Passar Soliario
2009 Modern Art Sextet, Berlin (Deutschland): Vocis in Ore

Aufführungen (Auswahl)

1989 Mozarteum Salzburg: Kleines Kammerkonzert (UA)
1990 oenm . oesterreichisches ensemble für neue musik, Künstlerhaus Salzburg: Herbst. (UA)
1990 Sabine Panzer (org), Evangelische Kirche Hallein: Pan. (UA)
1990 Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg: marco blau: Trauermusik (UA)
1991 oenm . oesterreichisches ensemble für neue musik - Konzert der Preisträger:innen des Mozartwettbewerbs für Komposition, Orchesterhaus Salzburg: Niente (UA)
1997 Christina Schorn (git) - Halleiner Stadtfestwochen, Pernerinsel Salinenkapelle: Miniaturen (UA), Boring (UA)
1998 oenm . oesterreichisches ensemble für neue musik, Künstlerhaus Salzburg: Stripsonate (UA überarb. Version)
1998 oenm . oesterreichisches ensemble für neue musik, Orchesterhaus Salzburg: La Partenza (UA)
1998 Yvonne Zehner (git), Lausanne (Schweiz): Die Fliege (UA)
1998 Duo Zehner, Luzern (Schweiz): Duo (UA)
1999 Duo Wolfersberger, Wien: MuBA (UA)
2001 Berlin (Deutschland): Pour Joelle Leandre (UA)
2001 Elzbieta Sternlicht (pf), Berlin (Deutschland): Nomina I (UA)
2005 Ivan Mancinelli (perc), Taranto (Italien): N.Y.B.O.R (UA)
2005 Ensemble für Neue Musik Smeyers, David Smeyers (dir) - Festival für Neue Musik Köln, St. Peter (Deutschland): Assente III – San Pietro di Colonia (UA)
2006 El Cimarrón Ensemble, Taranto (Italien): Trio Assente (UA)
2006 Maurizio Paciariello (pf), Goethe Institut Rom (Italien): Per Due Mani (UA)
2007 El Cimarrón Ensemble - Festival "Sommerkonzerte im Altmühltal", Audi Forum Ingolstadt (Deutschland): Mio Passar Soliario (UA)
2008 Duo Schorn-Mancinelli: Christina Schorn (git), Ivan Mancinelli (mar), Sardegna (Italien): VAest (UA)
2009 Modern Art Sextet, Seoul (Südkorea): Vocis in Ore (UA)
2012 Angelika Luz (s), Kairos Quartett, Berlin (Deutschland): mientras (UA)

Diskografie (Auswahl)

Tonträger mit ihren Werken
2017 mientras - Angelika Luz, Kairos Quartett (Edition Zeitklang)

Literatur

1997 Günther, Bernhard (Hg.): Panzer Sabine. In: Lexikon zeitgenössischer Musik aus Österreich: Komponisten und Komponistinnen des 20. Jahrhunderts. Wien: music information center austria, S. 814–815.
2001 Panzer Sabine. In: Marx, Eva / Haas, Gerlinde (Hg): 210 österreichische Komponistinnen vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Wien/Salzburg: Residenz Verlag, S. 506–507.

Quellen/Links

Oesterreichisches Musiklexikon online: Panzer, Sabine
Wikipedia: Sabine Panzer

Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 4. 12. 2024): Biografie Sabine Panzer. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/70608 (Abrufdatum: 22. 12. 2024).

Logo frauen/musik